Montag, 9. Oktober 2017

Lothar Franz von Schönborn in weiteren Häppchen (VIII)

In diesem achten Teil meiner zweiten Lothar Franz von Schönborn-Serie taucht ein Auszug aus einem Brief des Kurfürsten an seinen Lieblingsneffen auf, den ich im zweiten Teil der Serie bereits zitiert habe. Da er aber in der neuen Quelle ausführlicher wiedergegeben ist, soll er hier noch einmal Platz finden.

urios" war das Lieblingswort des Kurfürsten Lothar Franz. Es findet sich, wo ihn etwas - vorab Künstlerisches - warm werden läßt. Dann nennt er es "curios": sein Treppenhaus in Pommersfelden und seine Sala Terrena, das Gewölbe dieses Gartensaals und die Hängung seiner Galerie, seine Spiegelkabinette in Gaibach und Pommersfelden und noch vieles andere. "Curios" konnte aber auch eine abnorme Blüte sein, eine in der Reife um Monate verfrühte Frucht, die ihm der Gärtner sandte, kurz alles und jegliches, was ihn als Gegenstand begeisterte. "Curios" war eine Betrachtungsweise, vielleicht eine Brille des mitteleuropäischen Barockmenschen. "Curios" war das über das Alltägliche und Längstbekannte Hinausgehende, war interessant und amüsant, war aufmunternd und konnte und sollte vielleicht dabei ruhig aus dem Rahmen fallen. "Curios" nannte hier der Barock das Barocke in seiner eigenen Zeit - beinahe möchte man sagen, mit "curios" ersetzte der Barock das damals noch unbekannte Wort "barock".

Die Freude am Kuriosen wurzelt sicher in demselben Untergrund wie der kraft- und saftvolle Humor der Zeit. Hier aber war Lothar Franz ein König, und selbst wenn er nicht einer der größten Bauherren des Barock gewesen wäre, so verdiente er sich schon durch den Witz seiner Briefe ein Denkmal in der Kulturgeschichte des Barock.

Zum echten Humor gehört, daß man alles verstehen und alles verzeihen kann und daß man sich selbst nicht so wichtig nimmt, um sich von der skeptischen und humorigen Betrachtung auszunehmen. Wie aufschlußreich ist da der Briefwechsel, den der Kurfürst mit seinem Lieblingsneffen, dem Reichsvizekanzler Friedrich Carl von Schönborn zu Wien führt und dem gegenüber Lothar Franz dabei manchmal ganz fein seine abweichende "Laissez vivre - Auffassung" zu verstehen gibt; am schlagendsten wohl in jenem Brief vom 24. August 1718, wo er schreibt: "Der Herr Reichsvizekanzler moralisiert in seinem Brief vom 17. überaus wohl und wenn man all' unser Tun und Lassen wohl "considerieren" will, so ist es freilich "au pied de la lettre" nicht anders; unterdessen sind wir Menschen und so beschaffen, daß wir allezeit in dergleichen verfallen werden, und wie könnten die Künstler und andere Handwerksleut, die doch Gott auf dieser Welt haben will, bestehen, wann er nicht zugleich Narren werden ließe, die sie ernähren täten, insonderheitlich doch der Mensch "ordinaire" mehr auf das Gegenwärtige als auf das Zukünftige zu reflektieren pfleget. Und so scheinet es auch dem Grafen von Hoyos [der sich durch Bauen und Luxus ruiniert hatte] ergangen zu sein, welcher noch viele Kameraden auf der Welt hat und deren alle Zeit, so lange sie steht, haben wird, und ich glaube nicht zu fehlen, wenn wir beide uns hierin als ein "exempel dieser morale" vorstellen wollten." - Lothar Franz's feiner Humor wandelte z.B. auch in seinen Briefen die Schreibweise des französischen Architekten Boffrand von "Boffran" allmählich zu "Bau Franc" [schöner Franzose] ab.

[Aus Heinrich Kreisel, Das Schloß zu Pommersfelden, Mainfränkische Hefte, Hirmer Verlag München, 1953]
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Das "curiose" Spiegelkabinett im Schloß Weißenstein zu Pommersfelden

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