Weil dieser Hashtag etwas zu kompliziert und zu ehrlich ist, macht er seit einigen Tagen in der etwas geschmeidigeren Form #CecilTheLion auf facebook und twitter die Runde. Und mit "Er macht die Runde" meine ich: Der Hashtag verhält sich zum Internet wie die Buchstabennudeln zur Suppe in meinem Teller, nämlich Tausende zu ein paar Tropfen.
Na klar ist Walter Palmer nicht ganz dicht. Um sich das "Recht" zu erkaufen, "legal" einen Löwen abzuknallen, blättert er zuerst eine Geldsumme hin, von der ein Ölscheich sich einen juwelenbesetzten Elfenbein-Rückenkratzer hätte kaufen können. Dann geschieht irgendetwas, das ursprünglich möglicherweise so nicht vorgesehen war (der Löwe wird aus dem Schutzgebiet gelockt, mit Pfeil und Bogen angeschossen und bekommt dann nach 40 Stunden den Gnadenschuß verpaßt). Und jetzt ist Palmer der bestgehaßte Mann unserer Tage.
Na? Hat's sich gelohnt?
Grundsätzlich bekomme ich immer deftiges Ohrensausen, wenn ich im Internet Photos sehe von mittelalten, übergewichtigen, weißen Männern, die neben ihrem erlegten Groß- und Größtwild posen wie Howard Wolowitz neben einer Katalogbraut. Die haben erstens das mit der Verantwortung für die Schöpfung voll kapiert. Und zweitens frage ich mich immer, was die so machen, wenn sie mal nicht auf Jagd sind. Palmer ist Zahnarzt.
Ah... Okay... Gut...
Wenn sich so ein "Ich muß jetzt mal wieder 'was abknallen, bevor mein inneres Gleichgewicht gefährdet ist"-Typ mit Bohrer über mich beugt und sagt "Jetzt bitte gaaaaaaaaanz weit aufmachen und stillhalten", dann fühle ich mich doch gleich geborgen und entspannt.
Daß Palmer und seine Helfer in der Geschichte die Arschlöcher sind, muß man eigentlich niemandem unter Zuhilfenahme kleiner, handgemachter Zeichnungen verdeutlichen. Das drängt sich durch die bisher bekannte Sachlage und die Berichterstattung auf.
Dennoch gibt es im Internet eine nicht unerhebliche Zahl von Zeitgenossen, die der Urteilsfähigkeit ihrer Mitmenschen nicht wirklich trauen. Die aktivieren dann die Empörungssirene, deren Lautstärke über den kürzestmöglichen Zeitraum auf "Startet da eine Boeing, oder ist es ein Shitstorm?" anschwillt und dort erst einmal verharrt.
All aboard the Empörungs-Train sind dann nicht nur die entspannten Zeitgenossen mit sachlichen Kommentaren, sondern auch...
Moment... Falscher Anfang...
Nochmal: Neben den beiden entspannten Zeitgenossen mit sachlichen Kommentaren treten diejenigen auf, die ganz genau wissen, was Walter Palmer in diesem Moment seines Lebens wirklich braucht. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, daß die Vorschlägen jeden denkbaren, schnellen bis qualvollen Tod umfaßten und bei den angedachten Foltermethoden auch nicht grade unkreativ oder zimperlich waren.
Ich kann die Wut über den erlegten Löwen verstehen. Erstens ging es unfair zu und zweitens ist die Jagd etwas, das fränkischen Fürstbischöfen vorbehalten sein sollte.
Jedoch schießen sich die Cecil-Freunde sofort in den eigenen Fuß, wenn sie als Wiedergutmachung Blut und Tränen und Folter und Tod sehen wollen.
Gilt Eure Sorge der Gerechtigkeit? Dann unterstützt die strafrechtliche Verfolgung von Palmer, sofern sie in den Bereich des Machbaren rückt. Gilt Eure Sorge Eurer Positionierung auf der "Wieviel Aufschrei reinigt mich vom Verdacht, ein stillschweigender Jagdfreund zu sein?"-Skala? Dann erklärt auf facebook oder twitter Euer Entsetzen über die Tat. Gilt Eure Sorge dem Verschlafen eines Megatrends? Dann legt Euch ein Leben zu.
Gilt Eure Sorge dem Leben? Dann laßt Euren Unmut nicht in haßerfüllte Bequemlichkeit umschlagen.
4 Kommentare:
Respekt Hochwürden.
Dank für diesen Artikel.
Auch wenn ich spontan ein paar kräftige Watschen für den Herrn Großwildjäger verständlich und in schwachen Momenten auch für angebracht halte: diese blutrünstigen Kommentare immer dann, wenn es um leidende oder getötete Tiere geht, sind abartig.
Mir tut der Löwe leid!!! ---- VIERZIG Stunden!!!!!! Echt arg.
Die Wogen gehen hoch - irgendwie verständlich. Doch kann eine tiefmittelalterliche Gleiches-mit-Gleichem vergeltende Lynchjustiz diese Untat wirklich sühnen?
Gott hat uns die Erde überlassen, damit wir sie hegen und pflegen, achten und respektieren. Es sollte uns traurig stimmen und nicht zum Lynchmobb mutieren lassen, wie manche von uns mit dieser Verantwortung umgehen.
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