Montag, 26. Januar 2015

Kunstzerstörung (II)

s folgt der zweite Teil meiner kleinen Serie über Kunstzerstörung. Wie schon beim ersten Teil gilt auch hier: Sinn der Reihe ist nicht, daß der Leser am Ende ein großes "Aha!"-Erlebnis hat. Wenn das geschieht, um so besser. Aber grundsätzlich geht es mir darum, eigene Gedanken zu ordnen und ein paar Leute dabei zusehen bzw mitlesen zu lassen.

Heutiges Thema ist Punkt 2.: "Kunstzerstörung durch Nachlässigkeit"

"Ist das Kunst oder kann das weg?" lautet eine Frage, die häufig für Schmunzeln sorgt. Die Putzfrau, welche im Jahre 2011 in Dortmund die Installation ""Wenn's anfängt durch die Decke zu tropfen" des Künstlers Martin Kippenberger ruinierte, indem sie von einem Gummitrog einen verdächtigen Belag herunterschrubbte, hat sich diese Frage sicherlich nicht gestellt. Sie hat einfach mit wahrscheinlich reinem Gewissen so gehandelt, wie sie zu handeln müssen glaubte.

Ein noch prominenteres Opfer schonungsloser Reinigungsmaßnahmen war Josef Beuys: 1973 wurde seine Mullbindenwanne als Spülbecken mißbraucht, und 1986 wurde in Düsseldorf seine Fettecke einfach weggewischt bzw entfernt.

Diese Fälle werfen eine interessante Frage auf: Wer genau war nun eigentlich so nachlässig, daß es zur Zerstörung von Kunst kommen konnte? Waren es die jeweils handelnden Putzkräfte, die - in einem kunstnahen Umfeld eingesetzt - sich vielleicht vor ihren Ata/Brillo-Vernichtungszügen darüber hätten informieren müssen, was nun weg kann und was nicht? Waren es die Künstler selbst, die zur Herstellung ihrer Werke Materialien einsetzten, welche in den Augen Gewerbeferner sich nicht unmittelbar als klassische Zutaten eines Museumsstücks aufdrängen, so daß sie die Werke mit einem Warnhinweis hätten versehen müßten? Waren es die Museumsverantwortlichen, die vielleicht in einem stillen Moment ihren Reinigungskräften hätten zuraunen können, daß es sich bei bestimmten vermeintlichen Verunreinigungen um künstlerische Absicht handelt? War es gar die Gesellschaft, die auf den verschiedensten Ebenen versäumt hat, rechtzeitig darüber aufzuklären, daß man sich im Bereich der Kunst immer wieder neu und erweiternd (und manchmal auch irgendwie hinterrücks) über den Begriff einigt?

Sicherlich wäre es eine Zumutung, von einem Künstler zu verlangen, daß er seinen Werken ein Schreiben beilegt, auf welchem steht "Das ist übrigens Kunst". Ebenso beleidigend wäre ein Museumsdirektor, der bei bestimmten Installationen sicherheitshalber darauf hinweist, daß es sich um Kunst handelt. Der Künstler - wenn er es mitbekommt - wird sagen "Das versteht sich doch hoffentlich von selbst!?". Die Putzkraft wird sagen "Glauben sie, ich sei zu blöd, Kunst zu erkennen?". Korrekt wäre wahrscheinlich eine Einstellung, welche davon ausgeht, daß es im Zweifelsfall erst einmal Kunst ist. Diese Einstellung muß dann eben gesellschafts- oder zumindest gewerbeweit gepflegt werden. Das heißt: Kein blindwütiges Reinigen in Museumsräumen oder Galerien und kein resignierendes Seufzen oder hämisches Lachen bei Werken, von denen man meint, sie seien keine Kunst. Zumindest nicht ohne den Anhang, daß dies nur eine ganz persönliche Meinung ist, daß aber anderen Menschen diese vermeintliche Verunreinigung einige zehntausend Euro wert ist.

Einen riesigen Anteil an der Kunstzerstörung durch Nachlässigkeit hat natürlich auch die menschliche Ungeschicklichkeit, die manchmal Ausläufer bis hinein in den Slapstick haben kann. Als 2006 ein Besucher des Fitzwilliam Museums in Cambridge erst über einen losen Schnürsenkel stolperte und dann eine Treppe hinunterkullerte und bei der Landung einigen 300 Jahre alte, kostbare Porzellanvasen aus China von den Sockeln holte, da war der Schock der Anwesenden sicherlich groß. Ich selbst sehe die Szene vor meinem inneren Auge in Schwarzweiß unter Beteiligung von Larry Semon oder Oliver Hardy.

Ein Klassiker sind selbstverständlich auch Bauarbeiter oder Handwerker, bei denen ein Lötkolben etwas zu heiß glüht oder ein Funke etwas zu ungeplant springt, so daß als Folge wenig später ein englischer Landsitz oder ein französisches Château in Flammen steht.

Insgesamt gehört Kunstzerstörung durch Nachlässigkeit für mich zu den Phänomenen, die zwar in einigen Fällen ausgesprochen bedauerlich sind, die ich aber - ebenso wie im Falle von Naturkatastrophen - eher neutral betrachte, da der Mensch mit seiner Fähigkeit, von seiner Freiheit Gebrauch zu machen, hier nicht wirklich eine Rolle spielt. Fragt man nach dem Unfall diejenigen, die für Kunstzerstörung durch Nachlässigkeit verantwortlich sind, so sagten wohl alle, daß sie anders gehandelt hätten, wären ihnen die Konsequenzen ihres Tuns bewußt gewesen.

So ist auch mein Entsetzen über Kunstzerstörung durch Nachlässigkeit weit unten auf meiner bis 10 reichenden "Schade!"-Skala angesiedelt, also ungefähr bei 3 oder 4.

3 Kommentare:

Geistbraus hat gesagt…

Eine Zwischenform kann man wohl gerade beim Tut Ench Amun sehen: das Abbrechen des Bartes wurde durch Nachlässigkeit verursacht, das Wiederankleben mit Pattex war dann schon eher mutwillig...

Der Herr Alipius hat gesagt…

Wohl wahr!

Anonym hat gesagt…

nun ich finde...dass die besagten Putzfrauen einen gesunden Menschenverstand haben...........und Kunst ist, wenn man, genau!