Dienstag, 2. April 2019

"Wir haben es satt!"

chreien Marie-Theres Beeler, Angela Büchel Sladkovic, Nico Derksen, Monika Hungerbühler, Jacqueline Keune, Elke Kreiselmeyer und Felix Senn als Unterzeichner einer ebenso betitelten Liste von "Konkretisierungen anlässlich des Gesprächs der unterzeichnenden TheologInnen mit Bischof Felix Gmür und Generalvikar Markus Thürig von Mitte Juni 2019".

Stattfinden soll dieses Gespräch "auf Wunsch der Eingeladenen ausserhalb des Ordinariats im Kapuzinerinnenkloster Namen Jesu, einem Frauenort, der Offenheit und Weite atmet". Diese Einleitung sorgt dafür, daß die Konkretisierungen außerhalb meines Toleranzbereiches stattfinden, welcher leider nur ein Alterweißermännerort ist, der in Verschlossenheit und Enge erstickt.

Scherz beiseite. In Wirklichkeit ist es so, daß das Schreiben mich seit fast einem Jahr Abstinenz ausgerechnet in der Fastenzeit mal wieder hinter dem Ofen hervorholt, um einen weiteren Rant abzusetzen. Zarte Gemüter mögen mir den Ausbruch verzeihen und sich mit dem Wissen trösten, daß ihnen dank meiner unterdrückten Tobereien der vergangenen elf Monate sehr viel Empörung, vielleicht gar Riechsalzgebrauch erspart geblieben ist.

Vieles ließe sich über dieses Dokument sagen. Ich will weniger auf die einzelnen Punkte eingehen, die sich manchmal ungeschminkt gegen die kirchliche Lehre richten ("... dass nicht nur keine und keiner vom Tisch Jesu ausgeschlossen wird, sondern explizit alle eingeladen werden), manchmal das in trotzigem Stolz ausgeübte Beschreiten eigener Wege als Gewissensentscheidung verkaufen ("... dass sie nicht nur auf weltkirchliche Antworten warten, sondern – ungeachtet römischer Direktiven ihrem Gewissen folgend – persönlich Verantwortung übernehmen und regionale Lösungen umsetzen") und manchmal in ihrer Dreistigkeit unfaßbar dämlich sind ("... dass sie [die angeschriebenen Bischöfe] keine Männer mehr zu Diakonen und Priestern weihen, bis der Zugang zu diesen Ämtern auch Frauen offensteht").

Ich möchte lieber einmal ganz allgemein darauf aufmerksam machen, daß einerseits aus der Ecke der Unterzeichner immer und immer wieder der "Klerikalismus™" angeprangert wird, es aber andererseits innerhalb der Kirche keine Gruppe gibt, die so sehr auf den Klerus fixiert ist, wie die von unten kirchenden Los-von-Rom Volksbegehrer. Wenn ich diese Konkretisierungen oder vergleichbare Dokumente lese, dann scheint es mir manchmal, als beschäftigten die Worte und Handlungen der Priester die Verfasser nicht nur den lieben, langen Tag, sondern als folgten sie ihnen gar bis in ihre Träume.

Wenn ich als Gemeindepriester an den vollkommen entspannten Augenhöhen-Umgang denke, den meine Schäfchen mit mir pflegen, und wenn ich mir die Selbstverständlichkeit vor Augen rufe, mit der die Ministranten, Lektoren, Musiker und Kantoren ihre Dienste ausüben, dann drängt sich mir dann schon die Frage auf, wer es denn eigentlich ist, der den Klerus auf ein so hohes Piedestal stellt.

Und das ist dann auch der fiese Trick dieser Leute. Denn natürlich gibt es den Klerikalismus auch in kirchlich konservativen Kreisen. Dort tritt er aber meiner Erfahrung nach in der Form auf, daß Laien den Priester auf den Sockel heben (wollen) und der Priester ihnen charmant-bestimmt zu verstehen gibt, daß er sich dort oben viel zu wichtig vorkäme.

Die von den Nörgelprogressisten auf das Piedestal gehievten Priester können aufgrund der Natur der ausgesprochenen Forderungen von dort oben leider nicht runterklettern, denn das würde bedeuten, daß sie nicht das Bild, welches die Laien sich von ihnen machen (wollen) zurechtrücken, sondern daß sie ihre priesterliche Identität leugnen. So können also die Verfasser der Konkretisierungen und ihre Vormacher, Nachmacher, Mitmacher und Jubelalraunen über eine kunstvoll erschwindelte Erhöhung die Nase rümpfen, wohl wissend, daß sie - wenn sie schon nicht den Sieg davontragen werden - ihre selbstgedrechselte Existenzberechtigung (nämlich das Fordern, Jammern und Anprangern) nie verlieren werden.

Hinzu kommt für mich persönlich der Zweifel, daß es in der herbeigesehnten "herrschaftsfreien Anderskirche" (kein Scheiß!) tatsächlich so herrschaftsfrei und machtentsagend zugehen wird. Dafür schwingt im Stil dieses Dokuments für meinen Geschmack einfach viel zu viel Glaube an die eigene Unfehlbarkeit mit.

Dienstag, 8. Mai 2018

Abriss

ein. Ich will nicht versuchen, das Internet in heillose Verwirrung zu stürzen, indem ich in seit langem unerhörter Weise an zwei Tagen zwei Beiträge absetze. Ich muß nur aus vielen gegebenen Anlässen mal eben ranten.

[HINWEIS: Wie alle Rants ist auch dieser sicherlich an der einen oder anderen Stelle nicht wasserdicht. Aber wie bei allen Rants ist auch bei diesem Text die vornehmste und erste Aufgabe, den Druck auf das Gemüt der Verfassers zu erleichtern]

Wir sind ja in der Kirche seit einigen Jahren in diese heiße Phase eingetreten, in der wir die Ernte einfahren von einer Elterngeneration, die null und nichts über den Glauben weiß (wissen will), in dem sie einst getauft wurde. Klar, daß man dann von Kindern nichts erwarten darf, die von ihrer Mama mit folgender Information in die Erstkommunion-Vorbereitung geschickt werden: "Die Hostie ist nur ein Keks".

Aber Erstkommunion bitte trotzdem und unbedingt, weil halt irgendwie nett und Tradition und so.

Natürlich: Als Priester ist es nicht nur meine Aufgabe sondern auch meine Pflicht, da etwas entgegenzusetzen. Und das tue ich während der Stunden, die ich mit den Kleinen verbringe selbstverständlich auch. Die haben, wenn sie zum ersten Mal den Leib Christi empfangen, aus meinem Munde mehr als einmal gehört, was so eine Hostie wirklich ist. Und sie haben es auch irgendwie kapiert. Das erkenne ich an dem kindlich-feierlichen Ernst, mit dem sie die Hostie entgegennehmen und sich in den Mund stecken (wenn sie sich die Hostie nicht von mir direkt auf die Zunge legen lassen, was auch vorkommt, da ich ihnen natürlich beide Empfangsalternativen beibringe). Das Problem ist, daß ich im gesamten Alltag und Leben der EK-Kinder nur als kurzer Blitz vorkomme, der im Idealfall auch mal die Eltern kurz aus dem Halbdunkel ihres Couch- und Koma-Christentums aufschreckt, bevor alles wieder ermattet die Hintern in die vorgeformten Polsterkuhlen fallen läßt. Von diesem Zeitpukt an gehören die Kinder dann wieder den Eltern und deren Nicht-Interesse an allem, was Christus, Kirche und Glaube ist.

Mein jährlicher Stimmungsverlauf im Zusammenhang mit der Erstkommunion und der Vorbereitung darauf ist dieser: Anfangs blankes Entsetzen wegen der totalen Ahnungslosigkeit fast aller (95%, schätze ich mal) Kinder: Kreuzzeichen? Wie geht'n das? Vaterunser? Ist das 'ne Band? Jesus? Ich glaube, den haben wir in Reli mal gemalt und besungen! Während der EK-Vorbereitung keimt dann Hoffnung auf, weil es offensichtlich ist, daß die Kleinen durchaus Interesse haben und neugierig sind. Nach der Erstkommunion dann milde Resignation, weil alles, was aufgebaut wurde, in relativ kurzer Zeit wieder eingerissen wird.

Eine verschwindend geringe Zahl von Erstkommunion-Empfängern sehe ich in den darauffolgenden Wochen ein- oder zweimal in der Sonntags-Messe, bis Papa und Mama dann irgendwann meinen, daß es nun aber auch genug ist mit dem gezeigten guten Willen. Es geschieht sogar, daß Kinder, die bei mir zur Erstkommunion gegangen sind, plötzlich sonntags in der Sakristei auftauchen und ministrieren möchten. Bombe! Aber: Wenn sie dann plötzlich nicht mehr kommen und ich sie zufällig auf der Straße treffe und anspreche, dann heißt es: "Meine Eltern wollen das nicht".

Es gibt keinen Nährboden mehr. Es kann nichts mehr wachsen.

Wie verhindern wir das totale Abreißen der Überlieferung unseres Glaubens? Wahrscheinlich bleibt letztlich nur das persönliche Zeugnis und die Standhaftigkeit. Ich habe mehr und mehr das Gefühl, daß die Priester nur noch für diejenigen da sind (wegen der Mehrfachbelastung in diesen Zeiten oft auch nur noch da sein können), die ohnehin noch - aus welchen Gründen auch immer - mit an Bord sind. Die Kirche aber, das sind wir alle. Somit sind wir alle aufgerufen, den Glauben unverfälscht und unverdünnt zu vermitteln. Nicht mit diesem "Ich bin nicht hier, um Freunde zu machen und populär zu sein, sondern um Euch getauften Heiden die Wahrheit zu verkünden!"-Opferstolz. Sondern mit der einzigen Einstellung, in der die oft bemühte und oft begähnte "Augenhöhe" wirklich einmal Sinn ergibt: Von Sünder zu Sünder.

Natürlich wird im öffentlichen Diskurs bei vielen Gelegenheiten gerne der Begriff der "Barmherzigkeit" bemüht. Aber dieses Prinzip der Barmherzigkeit kann ja erst dort Früchte tregen, wo es innerhalb des Koordinatensystems der Gebote unseres Herrn und der Lehre der Kirche angewendet wird.

Wird durch eine pussyfizierte, zuckerwattige Beliebigkeit in Glaubens- und Praxis-Fragen die Schar der Schäfchen anwachsen? I don't think so. Wer die Kirche und mit ihr den von Christus über die Apostel und die Väter auf uns gekommenen Glauben retten möchte, der muß mit dafür Sorge tragen, daß die Wahrheiten und Realitäten dieses Glaubens unverdünnt und unerschüttert hinabfließen auf die dürstende Masse. Es gibt nur eine "Lebensrealität", in der die Menschen "abgeholt werden müssen". Und diese lautet:

Wir alle sind Sünder, doch keiner von uns ist verloren. Hier sind Christi Gebote, für alle bewahrt und weitergereicht durch die Kirche in ihrer Lehre. Halten wir uns daran. Sonst gehen wir zugrunde.

Montag, 7. Mai 2018

Schönborn-Panik

a muß schon die grob dubiose Erläuterung eines Schönborn-Familiengemäldes her, damit ich mich blogmäßig mal wieder aus der Versenkung wage...

Im "Bibliophilen Taschenbuch" der Harenberg Edition mit dem Titel "Schönbornschlösser" sind die von Salomon Kleiner gezeichneten und in Kupfer gestochenen Gebäude und Gärten der Schlösser Favorite, Pommersfelden, Gaibach und Seehof zu betrachten. Harald Keller hat dazu ein Nachwort verfaßt, in welchem er das Altarbild der Pfarrkirche in Gaibach folgendermaßen beschreibt:


"In der obersten Reihe sind stehend all jene Bischöfe um Lothar Franz versammelt, deren Erziehung er geleitet und für deren Fortkommen er gesorgt hatte. Melchior Friedrich [ein älterer Bruder des Lothar Franz] besaß sieben Söhne, die alle zwischen 1673 und 1683 geboren waren. Die Reihe beginnt zur Linken mit dem jüngsten Sohn Marquard Wilhelm, dem einzigen, der es nicht bis zum Bischof brachte und Domherr von Trier, Speyer, Bamberg und Würzburg blieb (1683-1770). Dann unterbricht Oheim Lothar Franz im Hermelin den Kreis der Neffen, ihm schließt sich an Johann Philipp Franz, der Fürstbishof von Würzburg und Herzog in Franken, der begründer der Würzburger Residenz, der so früh starb (1673-1724). Nach dem Kardinal Damian Hugo folgt Franz Georg, Kurfürst und Erzbischof von Trier, Fürstbischof von Worms und Fürstpropst von Ellwangen (1682-1756)."

Jetzt bin ich aber ganz entschieden der Meinung, daß die Reihenfolge der fünf genannten Herren in der oberen Reihe von links nach rechts diese ist:
  1. Johann Philipp Franz
  2. Lothar Franz
  3. Franz Georg
  4. Damian Hugo
  5. Marquard Wilhelm
Gibt's da draußen irgendwelche Schönbornistas, die da mit mir fühlen und sich sekundierend äußern möchten?

Freitag, 22. Dezember 2017

Wenn Alice Weidel die Kirche viel zu nazi findet...

b und zu werde ich dann durch die eine oder andere Nachricht ja doch immer wieder gezwungen, auf meinem Blog auch mal keine Photos oder Musikstücke oder Textminiaturen zu veröffentlichen. Heutiger Anlaß ist ein facebook-Beitrag von Alice Weidel (AfD), in welchem sie sich beklagt, daß die Kirchen heute wieder die Rolle einnehmen, die sie bereits im Dritten Reich hatten, nämlich die der Unterstützer, Kollaborateure und Befürworter der Regierung.

Das lasse ich jetzt einfach mal so zum Auf-der-Zunge-zergehen-Lassen unkommentiert stehen.

Weidel ist zum Beispiel der Meinung, es sei die Aufgabe eines christlichen Kirchenmannes,
    "sich seiner Verantwortung gegenüber unserer christlich-abendländischen Kultur bewusst zu werden".

Als Vorbild dienen soll hier Clemens August Kardinal von Galen,
    "der seine Grundsätze über jegliche politische Ambitionen stellte - und heutigen Kirchenführern damit als Vorbild dienen sollte".

Ich kann Christus im Nacken förmlich spüren, wie er heftig und zustimmend nickt:
    "Exakt, liebe Frau Weidel! Es ging im Kern meiner Botschaft nie um etwas anderes als die christlich-abendländische Kultur. Und wenn ich mir von meinem Bodenpersonal überhaupt je etwas gewünscht habe, dann, daß es seine (und nicht etwa meine) Grundsätze über jegliche politische Ambitionen stellt".

Die Kommentare unter diesem Beitrag sind übrigens auch nicht von schlechten Eltern und haben folgenden, gar nicht widersprüchlichen Tenor:
    "Kirche scheiße, weil sie sich nicht um ihre Kernaufgaben schert, sondern sich in die Politik einmischt. Kirche auch scheiße, weil sie Flüchtlingen gegenüber barmherzig ist, anstatt sich in puncto Islamisierung in die Politik einzumischen".

Ein Bekannter kommentiert auf facebook:
    "Immer wenn man gerade denkt, die AfD könnte tatsächlich eine "Alternative" sein, kommen solche Aussagen, die einem vor der Bildung des Spitzenpersonals Angst und Bange werden lassen".

Bei mir war und ist es andersherum: Ich konnte an die AfD bisher nie als ernstzunehmende "Alternative" denken, weil Personal und Anhänger mir immer und immer wieder mit irgendwelchem "Bitte wähle nicht die AfD"-Slapstick kamen.

Mittwoch, 20. Dezember 2017

Klänge

oppla! Da habe ich doch vor einiger Zeit ein neues Musikstück hochgeladen und es bei facebook verlinkt und ganz vergessen, auch die Leser des Blogs darauf aufmerksam zu machen. Das will ich hiermit nachholen. Das Stück heißt "... und warten immer noch" und es ist ein wenig anders als das, was ich sonst so mache, geht eher in die Richtung Dark Ambient. Die höchstmögliche Hörempfehlung gibt es nicht trotzdem, sondern grade deswegen. Das Stück paßt mir seiner schweren, etwas feierlichen Atmosphäre auch ganz gut in die Adventszeit. Reinhören kann man wie üblich bei soundcloud.

Montag, 11. Dezember 2017

Schwarz/Weiß-Photos

ch habe in den vergangenen Wochen auf facebook einen ganzen Haufen von Schwarz/Weiß-Bildern gepostet. Wie üblich gibt es für alle Leser, die sich nicht auf facebook herumtreiben jetzt diese Bilder als geballte Ladung in einem Beitrag.














Sonntag, 15. Oktober 2017

Wirklichkeitsfluch(t)

ch lehne mich mit dem Rücken gegen die Zeit und spreche die Zauberworte. Der Riß ist klein, aber zuverlässig. Mit dem nötigen Druck zwinge ich mich hindurch und lasse mich durch die Jahre fallen. Ich lande auf einer saftig-grünen Wiese. Ich lande in einem totenstillen Schützengraben. Ich lande in klarem seichtem Wasser. Ich lande unter einem stumpfen Henkersbeil. Ich lande an einer reich gedeckten Tafel. Ich lande in einer aufgebrachten Menschenmenge. Ich lande auf einem sanft behauchten Gipfel. Endlich lande ich in einer schaukelnden Kutsche. Auch die Vergangenheit hat unschöne Realitäten, welche die Unmittelbarkeit ihrer jeweiligen Gegenwart nutzen, um hämisch grinsend ihre gezückten Pläne und ihre gewetzten Zukünfte anzubieten. Doch wo die Phantasie frech ist, die Lust auf Vertrautes groß und die Sehnsucht nach morgen begrenzt, dort lasse ich mich auf weichen Polstern und Kissen gerne tragen durch die unentschlossene Natur eines herbstlichen Nachmittags, dem Licht der Lüster und dem Klang der Gläser entgegen, hinein in das zauberhaft gequälte Rauschen. Die Gesellschaft ist ein wenig schlaff, ein wenig übersättigt. Aber nie zu frei von Furcht oder Dünkel, mich nicht entweder als ihren Herrn oder ihren Untergebenen zu behandeln. Ich bin behütet genug, beides mit großem Vergnügen zu leben. Mir ist es einerlei. Ich habe in der Vergangenheit Deine Gegenwart noch immer gefunden, sei es an Höfen oder in Kloaken. Natürlich und ehrlich und ein für alle Mal: Der Glanz und der Überfluß und die Sorglosigkeit sind mir dort immer lieber als der Schmutz und der Mangel und die Qual. Doch wer weiß schon, wie er für seine Herrlichkeit einst zu bezahlen hat? Immerhin: Oft genug erbarmt sich Gott der Reichen, der Prassenden, der Luxuriösen und schmettert sie noch zu ihren Lebzeiten in den Untergang, um sie später nicht zu streng richten zu müssen. Nun erkenne ich Dich noch. Bald ich sehe Dich nicht mehr. Und dann kommen die Fragen.

Montag, 9. Oktober 2017

Lothar Franz von Schönborn in weiteren Häppchen (VIII)

In diesem achten Teil meiner zweiten Lothar Franz von Schönborn-Serie taucht ein Auszug aus einem Brief des Kurfürsten an seinen Lieblingsneffen auf, den ich im zweiten Teil der Serie bereits zitiert habe. Da er aber in der neuen Quelle ausführlicher wiedergegeben ist, soll er hier noch einmal Platz finden.

urios" war das Lieblingswort des Kurfürsten Lothar Franz. Es findet sich, wo ihn etwas - vorab Künstlerisches - warm werden läßt. Dann nennt er es "curios": sein Treppenhaus in Pommersfelden und seine Sala Terrena, das Gewölbe dieses Gartensaals und die Hängung seiner Galerie, seine Spiegelkabinette in Gaibach und Pommersfelden und noch vieles andere. "Curios" konnte aber auch eine abnorme Blüte sein, eine in der Reife um Monate verfrühte Frucht, die ihm der Gärtner sandte, kurz alles und jegliches, was ihn als Gegenstand begeisterte. "Curios" war eine Betrachtungsweise, vielleicht eine Brille des mitteleuropäischen Barockmenschen. "Curios" war das über das Alltägliche und Längstbekannte Hinausgehende, war interessant und amüsant, war aufmunternd und konnte und sollte vielleicht dabei ruhig aus dem Rahmen fallen. "Curios" nannte hier der Barock das Barocke in seiner eigenen Zeit - beinahe möchte man sagen, mit "curios" ersetzte der Barock das damals noch unbekannte Wort "barock".

Die Freude am Kuriosen wurzelt sicher in demselben Untergrund wie der kraft- und saftvolle Humor der Zeit. Hier aber war Lothar Franz ein König, und selbst wenn er nicht einer der größten Bauherren des Barock gewesen wäre, so verdiente er sich schon durch den Witz seiner Briefe ein Denkmal in der Kulturgeschichte des Barock.

Zum echten Humor gehört, daß man alles verstehen und alles verzeihen kann und daß man sich selbst nicht so wichtig nimmt, um sich von der skeptischen und humorigen Betrachtung auszunehmen. Wie aufschlußreich ist da der Briefwechsel, den der Kurfürst mit seinem Lieblingsneffen, dem Reichsvizekanzler Friedrich Carl von Schönborn zu Wien führt und dem gegenüber Lothar Franz dabei manchmal ganz fein seine abweichende "Laissez vivre - Auffassung" zu verstehen gibt; am schlagendsten wohl in jenem Brief vom 24. August 1718, wo er schreibt: "Der Herr Reichsvizekanzler moralisiert in seinem Brief vom 17. überaus wohl und wenn man all' unser Tun und Lassen wohl "considerieren" will, so ist es freilich "au pied de la lettre" nicht anders; unterdessen sind wir Menschen und so beschaffen, daß wir allezeit in dergleichen verfallen werden, und wie könnten die Künstler und andere Handwerksleut, die doch Gott auf dieser Welt haben will, bestehen, wann er nicht zugleich Narren werden ließe, die sie ernähren täten, insonderheitlich doch der Mensch "ordinaire" mehr auf das Gegenwärtige als auf das Zukünftige zu reflektieren pfleget. Und so scheinet es auch dem Grafen von Hoyos [der sich durch Bauen und Luxus ruiniert hatte] ergangen zu sein, welcher noch viele Kameraden auf der Welt hat und deren alle Zeit, so lange sie steht, haben wird, und ich glaube nicht zu fehlen, wenn wir beide uns hierin als ein "exempel dieser morale" vorstellen wollten." - Lothar Franz's feiner Humor wandelte z.B. auch in seinen Briefen die Schreibweise des französischen Architekten Boffrand von "Boffran" allmählich zu "Bau Franc" [schöner Franzose] ab.

[Aus Heinrich Kreisel, Das Schloß zu Pommersfelden, Mainfränkische Hefte, Hirmer Verlag München, 1953]
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Das "curiose" Spiegelkabinett im Schloß Weißenstein zu Pommersfelden

Montag, 2. Oktober 2017

Aus alt mach neu

as neue Stück ist ein altes. Ich habe nämlich eines meiner ersten Teile, Taxi bei Nacht, etwas aufpoliert. Den "Solo"-Teil habe ich gleich an den Anfang gezogen und dafür einen zweiten, solo-artigen Teil eingefügt. Drums und Bass wurden ein wenig gepimpt (unter anderem gibt es jetzt im "eigentlichen" Teil auch Hi-Hat), ein paar neue Klang-Ideen habe ich draufgeklatscht, zwei drei alte Tonspuren gelöscht und dann im Rausch gleich mal 2:40 Minuten Hörvergnügen draufgepackt. Mir gefällt das Stück jetzt besser, obwohl auch die alte Version irgendwie noch ihren Charme hat. Auf meinem Autofahr-Mix-USB-Stick sind jedenfalls beide Stücke drauf. Ein neues Cover habe ich natürlich auch gestaltet. Das Ergebnis könnt Ihr Euch wie immer bei Soundcloud unter diesem Link reinziehen.

Donnerstag, 28. September 2017

Lothar Franz von Schönborn in weiteren Häppchen (VII)

reude und Interesse an der Gartenkunst waren dem Kurfürsten ganz besonders eigen, die Sorge um Anlage und Ausgestaltung seiner Parks zieht sich durch alle Regierungsjahre. Neben dem Vergnügen an der architektonischen Natur der geschorenen Hecken und ausgezirkelten Beete geht die Liebhaberei für Wasserkünste einher, die deshalb in Pommersfelden in großer Mannigfaltigkeit angelegt wurden, und schließlich auch die Genugtuung über Nutzen und Ertrag der Obst- und Gemüsezucht; über dreitausend Orangen lieferte die Pommersfeldener Orangerie jährlich für die Hoftafel; die im Seehof überschüssigen Erträge wurden an die Bedürftigen verschenkt.

Der Kurfürst hatte direkte Verbindung mit dem Oberintendanten der königlichen Gärten in Versailles und interessierte sich für alles, selbst für den richtigen Schnitt der Obstbäume. Unter den kurfürstlichen Nepoten hatte sich Rudolf Franz Erwein besonders in dieses Metier eingelebt; er beschäftigte in seinem Wiesentheider Mustergarten den bekannten David Fülke, der durch ein illustriertes Gartenbuch von sich reden machte.

Auch im Briefwechsel mit dem Lieblingsneffen in Wien spielten Gärten, Wasserkünste, Orangerien und Blumen ein große Rolle. Lothar Franz liest etwa bewundernd von den gelben Lilien, die der Vizekanzler in seinem österreichischen Landschloß gezüchtet hat, und schildert ihm wiederum den schönen Abend, den er eben am Rheinufer in der Favorite, mitten in einem unendlich farbenprächtigen Ranunkelflor, verbringt. "Hier stehe ich alle Morgen um 5 Uhr auf", schreibt er üben den Tageslauf in seinen Gärten, "gehe ein paar Stunden im Garten herum, ebenso nachmittags und abends, und zwar mit dem größten Vergnügen von der Welt, von Herzen wünschend, daß der Herr Vetter (d.h. der Neffe) vierzehn Tage bei mir wäre".

[Aus Kat. Ausst. Kurfürst Lothar Franz von Schönborn - Gedächtnisausstellung zur 300-Jahr-Feier seines Geburtstages, Neue Residenz Bamberg 1955, Bamberg 1955]
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Blick auf die Gesamtanlage der Villa Favorite in Mainz, Stich von Salomon Kleiner, 1726