... die Pater Rudi in meinen Augen zu einem wirklich besonderen Menschen machte, war seine vollkommene Angstfreiheit gegenüber anderen Menschen.
Er ging einfach auf die Leute zu, setzte sein berühmtes Drei-Dutzend-Sonnen-Lächeln auf und sprach sie an. Diese Art von Offenheit, Freundlichkeit und Leutseligkeit macht natürlich auch ein wenig verletzbar, aber bei ihm hat es, so weit ich es beurteilen kann, immer funktioniert. Sobald er merkte, daß irgendwer ihn ausnutzen wollte, sagte er schlicht und einfach "Nein!"
Als ich vor einiger Zeit einer Mitarbeiterin in unserem Kammeramt erklärte, daß ich nach Deutschland zur Beerdigung von Pater Rudolf Matuszek fahren muß, da sagte sie mir gleich, daß sie sich gut an ihn erinnern kann und daß sie nicht die einzige im Hause ist, der das so geht. Denn - und das erfuhr ich in diesem Moment zum ersten Mal - wenn Pater Rudi bei mir im Stift zu Besuch war und ich für ein, zwei Stunden irgendwohin mußte, um etwas zu erledigen, dann nutze er die Zeit, indem er in unserem Stift herumflitzte und sich alles anschaute, was man sich ohne Generalschlüssel und Mega-Spezial-Vollmacht eben so anschauen kann. Wenn er dabei einem Chorherrn oder einem Angestellten über den Weg lief, dann quatschte er diesen sofort an und unterhielt sich für einige Minuten mit ihm. Deswegen haben viele bei uns im Haus ihn in guter Erinnerung.
Pater Rudi hatte dazu erstens eine Hammer-Intuition und zweitens ein wenig den Schalk im Nacken sitzen. Er konnte einen Raum betreten, der mit 100 Priestern gefüllt war, sich kurz umschauen und dann schnurstracks auf den einen Priester zugehen, welcher der Meinung ist, daß er eigentlich schon längst Bischof sein müßte und sich ein wenig darüber ärgerte, daß er bei den letzten Ernennungen übergangen worden war. Pater Rudi begrüßte solche Männer in der Regel mit dem Satz: "Sie müssen der Bischof sein!". Das war vielleicht ein wenig fies, aber weil er sich nicht erhöhen wollte, holte er hin und wieder mal gewisse Leute einfach zu sich auf den Boden der Tatsachen herunter. Passend dazu konnte es durchaus auch vorkommen, daß er auf den Satz "Ahhhhhhh! Sie sind auch Priester/Mitglied dieser Ordensgemeinschaft!?" als Antwort zu hören bekam: "Ich bin der Bischof/der Abt!"
Manche Leute würden ihn naiv nennen, andere gewieft. Ich behaupte, er war eher beides oder keines von beiden, als nur eines. Wobei seiner Naivität jegliche Tölpelhaftigkeit fehlte und seiner Gewieftheit jegliche Bosheit.
Ich kann jedenfalls mit reinem Gewissen sagen, daß all die Leute, die durch mich mit Pater Rudi in Kontakt kamen, ihn nicht nur sehr mochten, sondern auch oft fragten, wann er denn mal wieder kommt.
Jetzt wird er leider gar nicht mehr kommen, aber dafür lebt er in den guten Erinnerungen nicht weniger Menschen weiter.
2 Kommentare:
Noch mehr Geschichten von diesem Menschen, bitte! Und vielleicht Fotos. Natürlich nur, wenn es niemand als indiskret oder pietätlos auffasst.
Es wird sicherlich noch die eine oder andere Geschichte geben. Photos: Mal sehen... Nicht ausgeschlossen
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