Montag, 22. Februar 2016

Das Volk...

enn in diesen Tagen der Ruf "Wir sind das Volk!" ertönt, dann frage ich mich immer, von welchem "Volk" denn da eigentlich die Rede ist. Was macht denn "das Volk" aus? Welche Kriterien muß man denn erfüllen, um zum "Volk" dazuzugehören oder gar sich die Kühnheit herausnehmen zu dürfen, sich nicht als Teil des Volkes, sondern gleich als "das Volk" bezeichnen zu dürfen? Ist es das gemeinsame Kreuz in der Wahlkabine? Dann ist "das Volk" eher klein, wenn man sich die Beteiligungen bei den letzten Wahlen anguckt. Ist es der verbindende Jubel über den Erfolg einer Nationalmannschaft in einer Ballsportart? Auch dann fehlen dem Volk mindestens jene hyperskeptischen und megahysterischen Kontingente, die in der Freude über einen Sieg auf dem Rasen bereits die Finsternis des Vierten Reiches erblicken oder eine Nationalmannschaft im Herrenhandball für dermaßen Autobahn halten, daß ich künftig gar nicht mehr "Autobahn" sondern lieber "Herrenhandball" sagen werde. Ist es die Mittäterschaft bei all diesen kleinen und großen Operetten der nörgeligen Ausgrenzungssucht und unbeholfenen Selbsterhöhung? Dann wird es niemals "das Volk" geben, denn genügend Menschen kündigen lieber ihre Zugehörigkeit zum Volk, als sich zur Menge der Hetzer und Jammerer zählen zu lassen oder aber zur Menge jener, die angesichts der Hetzer und Jammerer selbst nur hetzen und jammern können.

"Einigkeit und Recht und Freiheit" heißt es in einem klassischen Gassenhauer. Wo aber finden wir denn in der heutigen Zeit die Einigkeit? Unter dem Radar all jener hochaufmerksamen Ankläger, Mahner, Aufklärer, Urteiler, Besserwisser, Verschwörungstheoretiker und Untergangspropheten, deren Dauerbeschallung zuallererst darauf zielt, einer größtmöglichen Menge von Zuhörern zu verdeutlichen, daß sie und nur sie das zur Debatte stehende Thema aus dem richtigen Winkel betrachten, unter diesem Radar fliegen schon längst all jene Beschleuniger der Zersetzung hindurch, die sich getrost darauf verlassen können, daß wir dem, was uns gegenüber steht und uns fremd erscheint, nämlich der anderen Hautfarbe, der anderen Sprache, der anderen Religion, immer mehr Aufmerksamkeit schenken werden - sei es nun willkommen heißend oder ablehnend - als dem, was uns untereinander entfremdet.

Wo finden wir in der heutigen Zeit das Recht? Wenn wir schon soweit sind, daß wir Menschen nicht nur das Menschsein absprechen, sondern sie auch so behandeln, als seien sie keine Menschen sondern bestenfalls Tiere, schlimmstenfalls Krankheitserreger, dann bemühen wir all die geschliffen und kühl formulierten Gesetze, an die sich die jeweils andere Seite bitteschön halten soll, nicht nur kostenfrei, sondern leider auch umsonst.

Und wo ist die Freiheit? Wenn wir bestimmte Dinge weder niederschreiben noch aussprechen dürfen, weil sie nicht zum Kodex der Wagenburg gehören und somit die Reinheit des Groupthink bedrohen, dann hören wir bei jedem Gedankenschritt, der einen Millimeter vom ausgetretenen Pfad abweicht, schon das Rasseln der tonnenschweren Tabuketten, die uns auf Linie halten sollen.

So lange "das Volk" in der Vorstellung einiger immer nur die Teilmenge ist, für die sie grade brüllen, finde ich den Spruch "Wir sind das Volk" ebenso vermessen und unzutreffend wie die Aussage "Ihr gehört nicht zum Volk" oder "Das sind keine Menschen".

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

So schätze sich glücklich, wer eine doppelte Volkszugehörigkeit, nämlich auch die durch einen Kircheneintritt oder einfach den Glauben jedem offenstehende Zugehörigkeit zum Volk Gottes hat.
Hier gibt es Einigkeit (in den wesentlichen Dingen, die serviceorientiert das Glaubensbekenntnis zusammenfaßt), Recht (ohne, daß man sich befleißigen müßte, sich in GOTTes Rechtsprechung einzumischen) und Freiheit zu sehr vielem Gutem.