Montag, 8. Mai 2017

Summen

s ist nicht einfach, in dieser Zeit Priester zu sein. Letztkommunionempfänger, Kulturkatholiken und Christentumsbeender soweit das Auge reicht. Leere Kirchenbänke, leerere Ordenshäuser und leerste Seminare in Hülle und Fülle. Dazu eine Amtsträger- und Laien-Schar, die sich immer schön zu fetzen weiß und dabei häufig die Gewichtung nicht hinkriegt: Während in Ägypten die Christen den Mördern ihrer Angehörigen vergeben und für diese beten, wird im Westen darüber gestritten, ob diese oder jene Formulierung in diesem oder jenem Kommentarbereich "justiziabel" ist. A propos Kommentarbereich: Virtuell herrscht eine solche geistige Unbeweglichkeit, daß man sich mit den falschen Fragen oder den falschen Kommentaren schnell mal innerhalb weniger Stunden die Vorwürfe anhören darf, man sei viel zu Nazi UND viel zu Kommie (ein Problem, mit dem auch andere Leute zu kämpfen haben). Als Kirsche auf dem Sahnehäubchen erweisen sich die regelmäßigen Zwischenrufe diverser Theologen, die wieder einmal die Kirche neu erfinden, die Bibel neu deuten, den Glauben umschreiben und das Lehramt umlenken wollen. Darf ich mich denn überhaupt darüber aufregen, wenn ich einen Satz vorher noch die geistige Unbeweglichkeit angeprangert habe? Ja, wenn all diese Versuche, die Kirche "ins 21. Jahrhundert" oder "up to date" zu bringen, nicht nur regelmäßig stattfinden, sondern mittlerweile auch so gehäuft daherkommen, daß man die Beweglichkeit eigentlich nicht mehr erkennen kann. Ich meine, wenn man 440 mal pro Sekunde die Frauenweihe oder die Abschaffung des Zölibats oder das Aufbrechen verkrusteter Strukturen fordert, dann gibt's halt den Kammerton A, und der ist nicht bunt oder frech oder modern, sondern monoton und unbeweglich, hat aber den Vorteil, daß er weder zu tief noch zu hoch ist, so daß sehr, sehr, sehr, sehr viele Stimmen mitsummen können.

In der Schar der regelmäßigen Meßbesucher in Floridsdorf tauchen in den letzten Wochen und Monaten immer wieder und immer häufiger Familien mit ihren kleinen und kleinsten Kindern auf. Diese Familien kommen von überall her: Aus Osteuropa, aus Afrika, aus dem arabischen Raum und natürlich auch aus Österreich. Die Kinder sind während der Messe eher ungefesselt und machen auch mal durch Krähen, Heulen oder Plappern auf sich aufmerksam. Vor allem ein superwinziges, etwas über ein Jahr altes Mädel aus Afrika traut sich jeden Sonntag immer ein wenig näher an den Altar und den Herrn Pfarrer heran. In der Gemeinde sollen angeblich schon Wetten eingegangen sein, an welchem Sonntag im Kirchenjahr die Kleine mir zum ersten Mal am Talarsaum zupft. Die älteren Kinder, die schon ansatzweise verstehen können, worum es geht, sind vor allem bei den Lesungen mucksmäuschenstill, weil sie die Geschichten von Jesus in der Regel ziemlich interessant bis faszinierend finden. Wenn ich mir die mittlerweile nicht mehr total überalterte sondern ziemlich abwechslungsreiche Menge der Gläubigen ansehe, die da sonntags regelmäßig in den Kirchenbänken sitz oder um die Kirchenbänke herumläuft (die Kleinen), dann stimmt mit der Welt immer sehr, sehr vieles.

Ich weiß auch nicht genau, wie ich die Moral von der Geschichte formulieren will. Auf jeden Fall ist es so, daß mir das Summen der kleinen Kinder während der Messe sehr viel lieber ist als das Summen der zuvor erwähnten Kammerton-A-Erzeuger. Denn das erste Summen sorgt immer dafür, daß ich mich lebendig fühle und auch die Kirche als lebendig verstehe.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Was schert uns das Kammertonsummen, wenn es diese Kinder gibt! Von Kammerflimmern ist die Kirche trotz all ihrer Unzulänglichkeiten weit entfernt. So weit wie von den Pforten der Unterwelt.

Unknown hat gesagt…

Einen hoffnungsvollen Unterton nehme ich wahr, den der Herr Alipius da anklingen lässt.
Schön, wir sind Weltkirche.